Ein Bericht aus der Vorbereitungsgruppe
Anlass der Veranstaltung war der Unmut in der Nachbarschaft über das Neubauprojekt auf der Fläche von Kaiser’s. Wir wollten eine Plattform bieten, um sich über Veränderungen im Kiez auszutauschen. Ziel war es, einen Raum zur Verfügung zu stellen und zu schauen, an welchen Punkten die Nachbarschaft näher zusammen rücken kann.
Die Anwohnersammlung begann mit einem World Café, das folgende Fragen zum Thema hatte:
1) Was bedeutet Nachbarschaft für mich?
2) Was sind meine Befürchtungen hinsichtlich von Neubauprojekten?
3) Ideenbörse: Was können wir tun, damit alle bleiben können?
Im Anschluss referierte Dr. Andrej Holm über Gentrifizierung und stellte mögliche Handlungsansätze und Beispiele aus anderen Städten vor.
Zu dem Referat:
Über den Stadtteil Prenzlauer Berg gibt es viele Stereotypen, aber die reale Situation, die wir vorfinden, ist geprägt von ökonomischen Prozessen. Es ist wichtig die politisch-ökonomischen Veränderungen anzuschauen, um die Bilder über die verschiedenen Lebensstile begreifen und einordnen zu können.
Blicken wir zurück auf die Phase der Sanierung in den 1990er Jahren, Prenzlauer Berg war Sanierungsgebiet. 60% der Maßnahmen, der Sanierungen, wurden öffentlich gefördert. Aber es gab die Bedingung, dass eine Mietpreisbindung für 20 Jahre gilt. Damals flossen in die Sanierung, die teilweise von den Menschen selber durchgeführt wurde, große Summen, aber die Menschen, die hier lebten, konnten zu über der Hälfte etwa bleiben.
Ende der 1990er Jahre klagten Eigentümer gegen die Mietpreisbindung. Das war auch die Phase der Abschreibungsmodernisierung: So konnten 1999/2000 Steuerabschreibungen geltend gemacht werden, d.h., dass die Eigentümer nicht über die Mieten reich werden wollten, sondern darüber, dass sie Steuern abschreiben konnten. In dieser Phase konnten noch rund 40% der Menschen bleiben. Die Option des Steuern-Abschreibens ist gekappt worden.
Dann endet die Mietpreisbindung. Es wird von einer 2. Phase der Sanierung gesprochen, die in den letzten Jahren begann. In dieser Phase verlor die Mietpreisbindung an Gültigkeit und es wurden Fassadendämmungen vorgenommen und Aufzüge gebaut. Das schlug sich nieder auf den Mietpreis. Investoren, die hier bauen wollten, verwandelten dann 45% der Wohnungen in Eigentum. Das war verheerend, viele Menschen mussten ausziehen wegen Eigentümerwechsel und Mieterhöhungen. Es blieben nur 25% der ehemaligen Bewohner.
Die hohen Mieten haben Pberg in einen Closed Shop verwandelt. 2/3 der Bewohner ist zwischen 25 und 40 Jahre alt. Am Kollwitzplatz haben 80% der Bewohner*innen einen Hochschulabschluss. Aber: Es sind nicht nur arme Menschen, die gehen müssen, auch das mittlere Einkommen reicht oft nicht aus, um 15/16 Quadratmeter finanzieren zu können. Je höher die Neumiete in Pberg ist, umso unwahrscheinlicher ist es, hier umziehen zu können. Das fördert eine weitere Homogenisierung. Der Druck auf Altmieter wächst.
Zu beachten ist, dass es keine individuelle Lösung in diesem Kiez im Falle einer Mieterhöhung mehr gibt. Es kann nur mit kollektiven Lösungen gearbeitet werden. Beispiele findet man in St. Pauli, In den sogenannten Esso-Häusern wehrten sich die Menschen, sie wurden dann als Nachbarschaft in den Bauprozess einbezogen. Die Frage ist also nicht, wieviel wird hier noch gebaut, sondern was wird hier noch gebaut? Darauf müssen wir Einfluss nehmen und uns zusammenschließen. Die Boden- und Grundstücksfrage muss gestellt werden.
In der weiteren Debatte wurden folgende Vorschläge gemacht:
– Stadträte einladen und in die Verantwortung nehmen
– Soziale Auflagen bei Neubauten fordern und sich einmischen! Sozial orientierte Bodennutzung, siehe München
– Kiezvernetzung erweitern, Emailadressen tauschen, vernetzen
– Positive Wohnbeispiele bekannt machen, Genossenschaften einbeziehen und vernetzen, Inseln sichtbar machen
– Symbolischer Protest gegen Neubau, Sichtbar sein beim Richtfest/ Spielerisches Begrüßen
– Aktivierende Befragung über das Wohnen im Kiez
Dokumente:
Ergebnis Tisch 1
Ergebnis Tisch 2
Ergebnis Tisch 3
Ergebnis weiterer Ausblick